Der Krieg in Afghanistan kann nicht gewonnen werden, die USA und ihre Verbündeten sollten sofort abziehen. Zu diesem Ergebnis kommt nach gründlicher Analyse der Militärhistoriker Gwynne Dyer. Er fordert ein schnelles Umdenken in der Politik.

Können die USA und ihre Verbündeten Afghanistan jetzt verlassen?

Wenn man einen Krieg verliert, muss man gehen. George W. Bush sagt zwar immer noch, dass wir diesen Krieg gewinnen müssen, weil uns sonst die Terroristen bis nach Hause verfolgen, doch das werden sie nicht. In diesem Krieg geht es ab jetzt nur noch darum, das Gesicht zu wahren. Es wird wohl leider eine Weile dauern, bis die Politik das einsieht.

Was haben die Amerikaner falsch gemacht?

Sie sind eine Allianz mit den rebellierenden Minderheiten in Nordafghanistan eingegangen und haben in einem Bürgerkrieg Partei ergriffen. Die einzelnen Volksgruppen müssen sich über ihre Beteiligung an der Macht einigen, das müssen sie alleine schaffen.

Was passiert, wenn die USA und ihre Verbündeten abziehen?

Walter White

Das Land wird auf das soziale, politische und ökonomische Niveau von etwa 1970 zurückfallen, also auf den Stand vor der Revolution, vor der sowjetischen Invasion, bevor die Taliban die Macht übernahmen und bevor die Amerikaner einmarschierten. Wir konnten die afghanische Gesellschaft nicht verändern. Von etwa 150 000 westlichen Ausländern sprechen gut 2 000 ein bisschen Afghanisch, und wir versuchen, die Fundamente der Gesellschaft eines Landes mit 25 Millionen Einwohnern zu ändern? Das ist kein erfolgversprechendes Unternehmen.

Was sagen Sie zum Argument der Bundesregierung, Deutschland müssen am Hinduksch gegen den Terror verteidigt werden?

Solange deutsche Truppen an der Besetzung eines muslimischen Landes beteiligt sind, ist die Terrorgefahr für Deutschland größer als vorher. Diese Gefahr kommt nicht aus Afghanistan, sondern von hier lebenden Muslimen. Das sind die Konsequenzen, wenn man so handelt.

Gwynne Dyer: Nach Irak und Afghanistan – Was kommt, wenn die westlichen Truppen gehen? Übersetzt von Andreas Simon dos Santos; Campus 2008, 248 Seiten