Wie erlangte Taylor Swift die Macht, bestimmte Regeln des Musikgeschäfts neu zu schreiben? „2015 war Swift zu einer solchen Größe herangewachsen, dass selbst Apple vor ihr in die Knie ging“, berichtet Jörn Glasenapp. „Der Konzern sah eigentlich vor, dass Musiker:innen während der kostenlosen dreimonatigen Probezeit seines kurz zuvor gegründeten hauseigenen Streamingdienstes Apple Music nicht vergütet werden sollten.“ Sie verlangte in einem offenen Brief, sofort für Musik zu zahlen: „Der Megastar protestierte – und zwar im Namen all jener, die keine Megastars waren – gegen diese ausbeuterische Praxis.“ Apple lenkte schnell ein und Taylor Swift gilt seitdem als größter Popstar der Welt.

Allen J. Schaben/Los Angeles Times/Getty Images

Mit ihren Fans (auf dem Foto am 7. August 2023 in Inglewood nahe Los Angeles) interagiert sie via Social Media permanent, sie sind wichtiger Teil dieser Erfolgsstory und inzwischen Wirtschaftsfaktor. Taylor Swift malte sich ihre Glückszahl 13 (sie wurde am 13. Dezember 1989 geboren und ihr erstes Album erreichte nach 13 Wochen Goldstatus) vor jeder Show auf die Hand, sagte sie 2009. Wie die 13 gehören die Freundschaftsarmbänder zu den wichtigsten Codes der Swifties. Hundertprozentig textsicher singen sie lauthals mit, viele tragen Fringe-Kleid oder Goth Style zu Cowboystiefeln und Schlangenstrumpfhosen. Ihre geballte Kraft „haben schon viele erfahren müssen – einige von ihnen zu ihrem eigenen Leidwesen bzw. als Zielobjekt des niemals erschlaffenden Verteidigungsreflexes von Swifts Gefolgschaft. Ist Letztere der Meinung, ihrem Idol widerfahre Unrecht, formiert sie sich kurzerhand zum Empörungskollektiv.“ Vor allem Ex-Lover und Kritiker bekommen das gnadenlos zu spüren.

Privat

Der Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp, Jahrgang 1970 und inzwischen bekennender Swiftie, besuchte in den USA zwei Konzert der Eras Tour und leuchtet unterhaltsam den Hintergrund des Phänomens aus. Um die Verbindung mit ihren Fans zu erklären, erinnert er an das „seit der Antike geltende Anforderungsprofil von Held:innen, das in nur leicht variierter Form letztlich auch das von Stars ist: Sie müssen tapferer, stärker und schöner sein als wir, damit wir zu ihnen aufschauen können. Sie müssen zugleich aber noch in unserer Liga spielen, damit wir uns mit ihnen identifizieren können. Natürlich ist es zumal Swift selbst, die Letzteres garantiert. Schließlich fußt ihre Karriere seit Beginn darauf, dass sie ihr Innerstes, ihre Verletzlichkeit und ihre Enttäuschungen, aber auch ihre Abgründe, offenlegt und in zutiefst subjektive Kunst verwandelt.“ So entwickelte sie ihr Storytelling.

Instagram/ddp socialmediaservice

Zu ihren wichtigsten Partnern zählt Jack Antonoff, mit dem sie seit 2013 regelmäßig zusammenarbeitet (und an ihrem 33. Geburtstag 2022 im Studio saß, wie sie zu diesem Foto auf Instagram verkündete). Im Mittelpunkt des Buches von Jörn Glasenapp stehen die Alben der Songwriterin und ihre Karriereschritte vom Country zum Pop. Er ordnet musikalische Entwicklung und kommerziellen Erfolg. Weil sich ihre Texte fast durchweg aus ihren eigenen Erlebnissen speisen, schreibt Taylor Swift auf eine spezielle Art ihre Autobiographie. Behütete Kindheit, erste Liebe, zerbrochene Beziehungen, gesellschaftliche Veränderungen gehören zu ihren Themen. Mit ebenso großer Detailkenntnis vertieft er sich in Akkordfolgen, die zum Standard der Popmusik gehören und auch Taylor Swift für mehrere Hits nutzte. Jörn Glasenapp offenbart, worauf der sagenhafte Erfolg dieser Ausnahmekünstlerin gründet und weshalb sie ihn so fasziniert.

Jörn Glasenapp: Taylor Swift. 100 Seiten. Reclam 2024, 100 Seiten