„Als jemand, der sich vor dem Militärdienst in Vietnam gedrückt hat“, schreibt die Journalistin Susan B. Glasser, „hat Trump uns diese Woche daran erinnert, dass er, was das Coronavirus angeht, auch ein Drückeberger sein möchte. Aber dieser Kampf ist kein Schwindel, egal wie oft er auch versucht hat, ihn als solchen darzustellen, und Tatsache ist: Der Präsident, ob er will oder nicht, steckt längst mittendrin.“ Sie geht mit ihm hart ins Gericht, weil er jede Verantwortung für die hohen Opferzahlen der Corona-Pandemie in den USA ablehnt. Seine Pressekonferenzen im Weißen Haus bedienen ihrer Meinung nach vor allem seine Sucht nach hohen Einschaltquoten und zeigen, wie sehr sich seine und die tatsächliche Realität entkoppelt haben. Die Kolumne Trumps allabendliche Show der Dummheit schließt eine Sammlung von Texten, veröffentlicht zwischen dem 10. Januar 2018 und dem 26. März 2020 vom Magazin The New Yorker.

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Susan B. Glasser folgt der langen Reihe von Pannen, Enthüllungen und Skandalen dieser Präsidentschaft bis in die Gegenwart: „Eine Lehre der Trump-Ära, wann auch immer diese schließlich enden mag, wird sein, dass absolut nichts mehr absolut sicher ist.“ Gestützt auf großes Insiderwissen und jahrelange journalistische Erfahrung, verfolgte sie das Impeachment-Verfahren im Herbst 2019. Trump konnte es letztlich überstehen, weil es ihm gelang, es „in eine rein parteipolitische Angelegenheit von Loyalität und Legitimität zu verwandeln.“ Daher scheiterten die Demokraten im republikanisch dominierten Senat mit ihrem Plan, weitere Zeugen die Verfehlungen des Präsidenten in der Ukraine-Affäre belegen zu lassen. Immer wieder hebt sie hervor, wie er die Agenda der Medien steuert. „Wenn Trump eins weiß, dann, wie man einen Erzählstrang ändert“, schreibt sie, und ergänzt an anderer Stelle: „Er lenkte von einer Kontroverse ab, indem er sich kopfüber in eine andere stürzte. Eine gut getimte Entlassung ist tatsächlich mittlerweile so etwas wie ein Markenzeichen dieses Präsidenten.“ Susan B. Glassers Kolumnen sind ein Lesevergnügen. Sie beobachtet genau, schildert präzise und lenkt den Blick auf wesentliche Punkte.

Susan B. Glasser: Briefe aus Trumps Washington. Übersetzt von Matthias Hempert; Weltkiosk 2020, 208 Seiten

Es sei gar nicht so schwer, Amerikaner zu finden, die sich nicht für Politik interessieren oder den Glauben an sie verloren haben, schreibt Daniel C. Schmidt im Nachklang seiner Reportagen aus den USA: „Jetzt haben sie noch nicht einmal mehr Zeit oder Lust, das eigene Land zu verstehen, das aus ihrer Sicht absurderweise bereit war, Donald Trump die Nuklearcodes auszuhändigen. Es hat sich eine Müdigkeit eingestellt über den Alarmismus der Kommentatoren im Kabelfernsehen und das laute Gekeife im Netz.“ Er konzentrierte sich in seinen Reportagen auf die Frage, was sie im Alltag bewegt und welche Veränderungen sie unter Präsident Trump wahrnehmen. Für die meisten Recherchen verließ er die Hauptstadt, reiste bis nach Texas und Wyoming. Was die Leute verbindet, „können politische Interessen sein, klar. Auch Sport oder Religion, Musik oder Essen, selbst so etwas Banales wie eine gemeinsame Vorliebe für Comic-Helden oder Cowboy-Stiefel.“

Privat

Seit 2016 lebt Daniel C. Schmidt in den USA, berichtet von dort für zahlreiche Zeitungen und Magazine. Es sind die feinen Beobachtungen auch kurzer Begegnungen, eine spezielle Art und Weise, mit der er die jeweilige Stimmung einfängt, die dieses Buch so lesenswert machen. Er begleitete beispielsweise eine Sozialarbeiterin und erlebte die drastischen Folgen der Opiumkrise: „Die Epidemie fing mit Schmerzmitteln auf Opium-Basis an, die Ärzte Ende der 90er-, Anfang der 2000er-Jahre vermehrt verschrieben. Ganze Städte wurden mit diesen Pillen geflutet.“ In der Kohlestadt Rock Springs beschäftigte ihn die lockere Haltung zu Schusswaffen, an der Grenze zu Mexiko verfolgte er den bürokratischen Umgang mit Asylsuchenden. Schließlich wirft er einen Blick auf den kommenden Präsidentschaftswahlkampf und porträtiert wichtige Akteure der Demokraten wie Elizabeth Warren, Joe Biden, Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez. Eine Wiederwahl von Donald Trump möchte er nicht ausschließen: „Was ihn als politischen Spieler nämlich so faszinierend und gleichzeitig unberechenbar macht, ist, dass er sich wie jeder gut skizzierte Filmbösewicht für den eigentlichen Helden der Geschichte hält.“

Daniel C. Schmidt: This is America – Reisen durch ein Land im Umbruch. Aufbau 2020, 252 Seiten