So unbequem wie Yanis Varoufakis als Finanzminister Griechenlands für seine Gegenspieler in Troika und Eurogruppe war, so detailliert breitet er nun das Tauziehen um die Zukunft des griechischen Frühlings aus. Seine Erinnerungen sind Politthriller, Zeitdokument und Finanzkrimi zugleich, er taucht tief unter die Oberfläche zahlreicher Konferenzen und Gespräche, stellt die Beziehungen der Akteure ins Zentrum. Syriza sollte und durfte aus Sicht des Finanzestablishments keinen Erfolg haben, weil die linke Regierung eine andere Politik verfolgte und andere Ziele erreichen wollte. Varoufakis schildert ausführlich, mit welchen Strategien Syriza langsam in die Ecke gedrängt wurde. Es ist die sehr lesenswerte Geschichte eines zunächst Gescheiterten, der aus seinen Fehlern lernt und neue Wege geht.
Yanis Varoufakis: Die ganze Geschichte – Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment. Übersetzt von Anne Emmert, Ursel Schäfer und Claus Varrelmann; Antje Kunstmann 2017, 664 Seiten
Unter den Büchern über die zunehmende Ungleichheit sticht die Analyse von Andrew Sayer heraus, weil er diese Entwicklung vor allem aus sozialwissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Sein Ausgangspunkt bleibt die jüngste Finanzkrise und er beleuchtet, wie tiefgreifend der wachsende Reichtum sehr weniger das kapitalistische Wirtschaftssystem prägt. Für ihn steht im Fokus, welche bitteren sozialen Konsequenzen daraus für die Lebensfähigkeit und die Zukunft der Gesellschaft folgen. Denn Sayer belegt, wie das oberste eine Prozent seinen wachsenden Reichtum tatsächlich auf Kosten der Mittelschicht und der Niedrigverdienenden anhäuft, wie der Umweltschutz auf der Strecke bleibt und Freihandelsabkommen die Ausbeutung verschärfen. Unvermeidlich folgt die Frage, warum wir uns das gefallen lassen.
Andrew Sayer: Warum wir uns die Reichen nicht leisten können. Übersetzt von Stefan Lorenzer; C.H.Beck 2017, 474 Seiten